Wien (APA) – Er ist eines der Aushängeschilder der österreichischen Quantenphysik: Der Experimentalphysiker Jörg Schmiedmayer, Professor für Quantenphysik an der Technischen Universität (TU) Wien. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Atom-Chips zur kontrollierten Manipulation ultrakalter Atome, was ihm den Beinamen “Mr. Atomchip” eingetragen hat. Am Donnerstag (13.8.) wird er 60 Jahre alt.

Schmiedmayer, geboren am 13. August 1960 in Wien, studierte Physik an der TU Wien und Astronomie an der Uni Wien. Nach einem Zwischenstopp bei der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN wurde er 1987 an der TU als Schüler von Helmut Rauch in Physik promoviert. Seine Post-Doc-Jahre absolvierte er, unterstützt von einem Schrödinger-Stipendium, an der Harvard University und am Massachusetts Institute for Technology (MIT), ehe er 1993 zu Anton Zeilinger ans Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck wechselte. Dort habilitierte er sich 1997 für Experimentalphysik. 2000 nahm er einen Ruf an die Universität Heidelberg an, wo er eine Atomchip-Arbeitsgruppe aufbaute.

Rückholaktion von Siemens, Stadt Wien und TU Wien

Es bedurfte einiger Anstrengungen, Schmiedmayer 2005 wieder nach Österreich zurückzuholen. Für die “Rückholaktion” stellte Siemens anlässlich seines 125-jährigen Bestehens eine Mio. Euro bereit, die Stadt Wien zog mit der gleichen Summe mit. Die TU Wien, wo er eine seit Jahren vakante Professorenstelle für Experimentalphysik erhielt, stellte 1,6 Mio. Euro für den Umbau der Laboratorien und den notwendige Renovierungsarbeiten am Gebäude des Atominstituts zur Verfügung, wo der Physiker 2006 mit seiner Gruppe einzog.

Fix nach Wien übersiedelte Schmiedmayer erst, als sein neues Labor fix und fertig war und er seine Arbeit nahtlos fortsetzen konnte. “Wissenschaft ist wie ein Termingeschäft am Ölmarkt. Wenn man nicht der erste ist, kann man es gleich bleiben lassen”, zeigte er damals seinen Zugang zu wissenschaftlicher Arbeit. Wichtig ist ihm bei dieser vor allem die Unabhängigkeit, erfolgreich werde man darin, “indem man Sachen macht, die einem Spaß machen und die noch niemand gemacht hat”.

“Das Beste aus zwei Welten”

Das gelingt dem Physiker in vielen Bereichen bei Entwicklung und Anwendung sogenannter Atomchips, die für ihn “das Beste aus zwei Welten verbinden”: Die Quantenmanipulation der Atomphysik und die Quantenoptik mit den fantastischen Möglichkeiten der Nanotechnologie. Das Ziel dabei ist die detaillierte Quantenkontrolle über einzelne Atome, ohne dass die Quanteneffekte durch die Umgebung zerstört werden.

2003 gelang ihm erstmals die Herstellung eines sogenannten Bose-Einstein-Kondensats (BEC) auf einem Atom-Chip. Bei BEC handelt es sich um Atomwolken in einem exotischen Materiezustand nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius), die sich wie ein einzelnes Quantenobjekt verhalten. Die Physiker um Schmiedmayer können solche BEC in magnetischen und elektrischen Feldern eines Mikrochips beliebig manipulieren.

Damit lassen sich nicht nur mögliche Anwendungen in der Messtechnik demonstrieren, sondern auch fundamentale Fragen von Vielteilchen-Systemen untersuchen. Wie sich große, sehr komplexe Quantensysteme verhalten, ist eine zentrale Frage, spielen sie doch von der Entwicklung des frühen Universums bis zu den Funktionen von Biomolekülen eine wichtige Rolle.

Für die Weiterentwicklung dieser Arbeiten erhielt Schmiedmayer 2013 einen hochdotierten “Advanced Grant” des Europäischen Forschungsrats ERC. Im selben Jahr wurde er wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

 

Dieser Artikel wurde am 07.08.2020 veröffentlicht unter:
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